Mittwoch, 2. November 2016

652 Tage - oder der 35. Frankfurt Marathon

 Das war er nun: mein (erster) Marathon!

Für mich ist es nach wie vor unwirklich, dass ich es tatsächlich durchgezogen und geschafft habe, dass ich ein paar erste Eindrücke und Zahlen hier mal festhalten muss...vielleicht wird es dadurch fassbarer.

"This is your day!", das Motto des Frankfurt Marathons...wie passend für mich. 
Die letzte Woche vor dem großen Tag war wirklich anstrengend, nicht wirklich körperlich, aber mental. Der Trainingsplan, bis auf ein paar sehr kurze Läufe, war geschafft, der große Tag rückte immer näher und die Aufregung steigerte sich in schier unmessbare Bereiche.
Tipps zur Renneinteilung und mentalen Stärke hatte ich mir sowohl von meinem Coach, als auch von einer Ironman Hawaii Finisherin geholt, die wirklich hilfreich waren...mir an diesen Tagen aber irgendwie nur bedingt halfen, denn die große Unbekannte namens 42,195 verunsicherte mich zusehends. Auch wenn ich wusste, dass ich den Trainingsplan, bis auf Kleinstausfälle, durchgezogen habe und es richtig und sinnvoll ist dass man diese Distanz niemals vorher läuft.
2-3 Tage davor kam ein allmorgendliches Halskratzen dazu, begleitet von Kopfschmerzen. "Alles psychogen!" versuchte ich mich selbst zu beruhigen und Friedhorst wieder in seine Ecke zu drängen. Gelang mir teilweise mäßig bis gar nicht.
In der Nacht zum Sonntag wachte ich dann im 3 Std.-Takt auf, mit absolut zunehner Nase und Kopfschmerzen und fragte mich ernsthaft, wie ich denn so bitte eine unbekannte Strecke laufen sollte?!? Glücklicherweise gelang es mir doch nochmal, ein wenig zu schlafen, bevor der Wecker klingelte, damit ich früh genug frühstückte und mich auf den Weg zum Bahnhof machte, wo ich den Coach treffen sollte.
So war ich  nicht ganz so lang auf mich allein gestellt, auch wenn ich mich unter absoluten Top-Läufern befand.
Die Zeit bis zum Start verflog dann doch relativ schnell: Umziehen war angesagt, die Jungs wollten noch ein Kaffee und natürlich musste ich nochmal aufs Klo (was natürlich länger dauerte bei den ganzen Startern). Schnell wurde dann noch ein Foto mit meiner Trainingsmitstreiterin und Freundin und dem Coach gemacht und schon musste ich den ersten Teil meines Supporterteams einsammeln, um überraschenderweise auch den 2. Teil direkt zu treffen :) Richtig viel Zeit blieb nicht mehr, um mich warm zu machen...ich war aber auch in einer Art Tunnel und kaum noch zugänglich für irgendwas. Obwohl ich in der 2. Welle starte (und somit 10min später) ging es auf einmal schon los. "Nur nicht zu schnell, nur nicht zu schnell!!", so das Credo aller und mein fester Vorsatz, was die ersten 2 km fast zu gut gelang (vermutlich auch auf Grund meines etwas spinnenden GPS-Empfangs). Die Strecke durch die Häuserschluchten war (vorallem im Nachhinein) atemberaubend und erinnert mich gerade ein wenig an New York. Bereits bei km4/5 (ich bitte um Korrektur, wenn ich mich da sehr vertue ;) ) standen meine ersten Supporter und jubelten mir zu. Super war das!! "Nur nicht überpacen, du hast noch ein bissel was vor dir", diese Gedanken begleiteten mich die ersten 10 km. Irgendwann lief ich eher nach Gefühl, weil die Paceangaben doch sehr schwankten. Bei km 10/11 standen 2 unserer Ärztinnen, die in Frankfurt wohnen und zur Strecke gekommen waren. Toll war es, die beiden Mädels zu entdecken, die sich riesig freuten, mich auch zu sehen.
Bei km 13 ging es auf der "alten Brücke" über den Main: ein kleines Stück ging es also bergauf. Dort rief mein ein gut aussehender Mann zw. 30 und 40 zu " Schön locker weiterlaufen, Carolin, weiter so!" Und ich habe tatsächlich ein paar Kilometer überlegt, ob ich diesen Herren irgendwoher kenne...oder ob er einfach nur nett war :)
Die Strecke auf der anderen Mainseite war auch relativ schnell vorbei und es war relativ schnell klar, dass aus dem rechnerischen Ziel des Trainingsplan nichts wird. Denn ab km 18 plagten mich Hüftbeschwerden beidseits, wo ich bis heute nicht weiß, ob sie muskulärer Natur oder knochenbedingt waren. So war es für mich allerhöchste Priorität, in der Festhalle anzukommen!
Bald schon ging es auf das berüchtigte Stück der Mainzer Landstraße, die sich in der Tat ziemlich zog...mir aber nicht so schlimm vorkam, wie gedacht. Allerdings freut man sich dann schon mal wieder, wenn mal wieder eine Kurve kommt so nach 4 Kilometern.
Bei etwa km35,x entdeckte ich dann zuerst mein Papa mit Familie und ein paar 100m weiter meine Mama mit Mann. Wirklich gut, dass hier nochmal bekannte Gesichter standen, denn 35km waren die magische Marke, die ich im Training bereits absolviert hatte...und zwar genau ein Mal.
Ich drängte den Gedanken "Jetzt geht der Marathon los, weiter bist du noch nie gelaufen!" gaaanz ganz tief zurück ins Hinterstübchen und ließ es nicht zu, dass mich das beeindruckte. Ok, ich wusste schon, "jetzt sind es nur noch 7 km" und man ist ja dem Ziel schon relativ nah bzw. sieht es von der Rückseite...und dreht dann doch noch ein paar Runden und Schleifen durch die Frankfurter City, denn irgendwoher müssen die 42km ja kommen ;)
Ab km 39/40 wurde es dann mental doch ein wenig härter...ich wollte einfach auch endlich den Hammering Man sehen (nicht spüren *g*), ankommen, mein Ziel erreichen, meine Familie sehen und meine wohlverdiente Medaille haben! Bei km40 entdeckte ich noch einmal unsere Ärztinnen, die diesen Schnappschuss von mir machten :)



Und Tatsache: nach 4:29:19h netto überquerte ich die Ziellinie in der Festhalle!




Ja, ich gebe zu, gern wäre ich ein wenig schneller gewesen, und sicherlich wäre auch noch ein bisschen was drin gewesen. Aber ich wollte und musste einfach ankommen...deswegen bin ich auf Sicherheit gelaufen.Wie eingangs gesagt: So ganz bin ich in der Festhalle mental noch nicht angekommen. Deswegen habe ich mal ein bisschen gerechnet, denn Zahlen lügen nicht: 652 Tage. 652 Tage, dass ist exakt die Zeit von meinem absoluten Laufbeginn zum Marathon!

P.S.: Eigentlich hätte er es gar nicht verdient, auch nur in einem P.S. in einem Beitrag über MEINEN Tag erwähnt zu werden! Trotzdem musste ich es tun: 15 min(!) nach Zieleinlauf (was dafür spricht, dass er mich aktiv über den Tracker verfolgt hat!)bekam ich eine Nachricht auf mein altes Handy von der Person mit dem unausprechlichen Namen. "Trotz der Abmachung (wie unverschämt!) wolle er mir zu meiner tollen Leistung graturlieren und mir sagen, dass er super stolz auf mich sei!" Danke du Idiot, aber was soll das?!?!! Denn eines muss dir klar sein: ich habe das alles nicht mit oder wegen dir, sondern TROTZ dir geschafft!!! Und zwar ganz alleine!